Wasserstoff in intelligenten Energiesystemen

Am Fraunhofer IISB haben wir über die letzten zehn Jahre eine umfangreiche Wasserstoffinfrastruktur für Forschungsaktivitäten und Dienstleistungen für unsere Kunden aufgebaut.

Dabei bringen gleich mehrere unserer Abteilungen ihr Wissen in verschiedenen Anwendungsszenarien ein. Die adressierten Bereiche umfassen sowohl mobile (Automotive, Straßen- und Schienentransport, Luft- und Raumfahrt- sowie marine und Unterwasseranwendungen) als auch stationäre Anwendungen wie Netzstabilität, Peak Shaving oder Lastverschiebung in der Industrie oder Zwischenspeicherung und Pufferanwendungen für erneuerbare Energien.

Unsere Technologie- und Systemkompetenzen decken die klassischen Wasserstofftechnologien wie Wasserstoffspeicher und hybride Speichersysteme, Elektrolyseur, Brennstoffzelle oder Abgasverwertung ab, aber auch funktionale Sicherheit, Leistungselektronik bis in den Megawatt-Bereich sowie Optimierung durch Data Analytics, Betriebsstrategien, Monitoring und Modellierung. Hervorzuheben ist unser Gesamtsystem- und Integrations-Know-how, das neben Multi-Domain-Systemintegration auch Aspekte wie Prüfung, Zertifizierung und Zulassung beinhaltet.

Eine wichtige Grundlage für unseren ganzheitlichen Ansatz ist unser Reallabor für Energietechnik. Da das Institut neben Büroräumen auch klimatisierte Reinräume und Labore mit großen Energieverbrauchern betreibt, ist es hervorragend als Reallabor für Energiesystemlösungen für mittelständische Unternehmen und Industriebetriebe geeignet. Die Optimierungsmaßnahmen sind hierbei nicht nur auf die einzelnen vorhandenen Energiesektoren – Wärme, Strom und Kälte – bezogen, sondern haben über eine Kopplung der verschiedenen Sektoren auch das Gesamtenergiesystem im Blick.

Stationäre Wasserstoffsysteme

Die breit gefächerten Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoffsystemen in stationären Anwendungen zeigen sich deutlich bei deren Integration in dezentrale Energienetze.

 

Wasserstoffspeicher werden für eine langfristige Energiespeicherung eingesetzt, welche die Grundlage für Optimierungsmaßnahmen, wie die Erhöhung der Eigennutzung regenerativ erzeugter und gewandelter Energie, darstellt. Zusätzlich ermöglicht die verlustarme Langzeitspeicherung eine saisonale Verschiebung der Energienutzung über Zeiträume von mehreren Wochen und Monate. Auch die Eigenerzeugung von Wasserstoff mittels Elektrolyse wird durch stationäre Wasserstoffsysteme realisiert und ist für Industriebetriebe mit eigenem Wasserstoffbedarf relevant. ​Die Forschungsaktivitäten am Fraunhofer IISB schließen die Systemintegration von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen sowohl für mobile als auch für stationäre Anwendungen ein. Parameter und Randbedingungen des zugrundeliegenden Energiesystems fließen stark in die Entwicklung der Betriebsstrategien sowie in die Automatisierungstechnik ein.​

Hybride Speichersysteme

Das Fraunhofer IISB betreibt in seinem Reallabor für dezentrale Energiesysteme hybride Speichersysteme, sodass das Institut selbst als Blaupause für Industrie, mittelständische Betriebe, Gewerbe und Quartiere genutzt werden kann.

Hybride Speichersysteme umfassen neben Wasserstoffspeichern zusätzlich elektrische Speicher, z. B. Batterien, und/oder thermische Energiespeicher in Form von Wärme- oder Kältespeichern. Eine Hybridisierung erhöht die Dynamik und Kapazität des Wasserstoffsystems durch die Kombination der jeweiligen Anlagenvorteile. So werden beispielsweise Wasserstoffsysteme aufgrund der geringeren Verluste bei der Langzeitspeicherung in Speichersysteme eingebunden. Ergänzt man das Speichersystem zusätzlich um elektrische Batterien, tragen diese durch ihre schnelle Reaktionszeit zur optimierten Speicherdynamik bei. Weiterhin eröffnet die sektorenübergreifende Betrachtung von Speichersystemen die Möglichkeit einer ganzheitlichen Systemoptimierung. Unabhängig von der Art Ihrer bereits vorhandenen Speicher unterstützen wir Sie bei deren Erweiterungen dieser zu einem hybriden Speichersystem.

Transport (Fahrzeuge, Schiffe, Züge)

Im Transportbereich setzen wir auf effiziente Leistungselektronik, um höhere Reichweiten und eine gesteigerte Leistungsfähigkeit zu erzielen.

Hybride Brennstoffzellen sind vor allem für Fahrzeuge mit großem Leistungsbedarf zukunftsweisend. Die Langstreckentauglichkeit von Autos und Nutzfahrzeugen wird durch sie gesteigert, bei schweren Fahrzeugen wie Bahnen oder Schiffen ermöglichen Brennstoffzellen einen emissionsfreien Betrieb. Durch die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger können die Fahrzeuge schnell nachgetankt werden, wodurch eine hohe Verfügbarkeit ermöglicht wird.  Um Brennstoffzellen in mobilen Anwendungen sinnvoll nutzen zu können, haben wir einen kompakten DC/DC-Wandler entwickelt. Der Wandler ist platzsparend, sodass er in Standard-PKWs verbaut werden kann (s. Leistungselektronik). Somit sind wir der richtige Ansprechpartner für Fahrzeuge verschiedener Größen im privaten sowie im Logistikbereich. ​

Luftfahrt

Die Relevanz von Leistungselektronik und Brennstoffzellensystemkomponenten in der Luftfahrt ergibt sich aus deren hohen Leistungsdichte in Kombination mit geringem Gewicht.

 

Unsere Expertinnen und Experten unterstützen Sie bei der Systemauslegung und Realisierung Ihres Luftfahrzeugantriebssystems durch maßgeschneiderte Komponenten und eine optimierte Systemintegration unter Berücksichtigung der besonderen luftfahrtspezifischen Herausforderungen. Mögliche Anwendungen im Bereich Brennstoffzelle sind dabei u.a. Gleichspannungswandler zur Ankopplung der Brennstoffzelle(n), Hochdrehzahl-Antriebsumrichter und -motoren für Luftverdichter, oder galvanisch getrennte Gleichspannungswandler zur Versorgung des 28-V- und/oder 400-Hz-Netzes aus der Brennstoffzelle. Außerdem nutzen wir integrierte Batterie- und Brennstoffzellenmanagementsysteme für Analysen der Bordnetzstabilität und Redundanzkonzepte. In unserem Verbundlabor Luft- & Raumfahrt steht dazu umfangreiche Infrastruktur von innovativer AVT bis zur Unterdruck-Klimakammer bereit.​ Wegen der deutlich höheren gravimetrischen Energiedichte von Wasserstoff, verglichen mit Kerosin und Batterien, verstehen wir Brennstoffzellen als Schlüsseltechnologie für eine emissionsfreie Luftfahrt.

Leistungselektronik

Die Kopplung von Brennstoffzellen an ein Gleich- oder Wechselspannungsnetz erfolgt über leistungselektronische Wandler (DC/DC-Wandler bzw. DC/AC-Wandler).

Neben Hybridfahrzeugen und reinen batterieelektrischen Lösungen stellt die Brennstoffzelle insbesondere für Nutzfahrzeuge eine Möglichkeit zur CO2-emissionsfreien Mobilität dar. Brennstoffzellen zeigen ihren besten Wirkungsgrad nur unter lastpunktabhängigen Strom- und Spannungskurven. Da man elektrische Spannungsquellen wie Batterien oder Brennstoffzellen nicht einfach zusammenschalten kann, müssen die Eingangsspannungen an die Zwischenkreisspannung des Antriebsstranges angepasst werden. Leistungselektronische Komponenten wie DC/DC-Wandler mit einem weiten Eingangsspannungsbereich können die Energie optimal aufnehmen und auf die benötigte Spannung anheben. Hochfrequenz-Umrichter und Motorkonzepte für hochdrehende Brennstoffzellen-Luftverdichter ermöglichen einen energieeffizienten Betrieb zentraler Brennstoffzellen-Nebenaggregate.

Neben Kosten und Materialeinsatz liegt der Fokus auf dem Wirkungsgrad der Energiewandlung. In mobilen Anwendungen wie Transport, Rennsport oder sogar Luft- und Raumfahrt spielen zudem die Baugröße und das Gewicht eine entscheidende Rolle. Am IISB werden daher Technologien und Prototypen entwickelt, die zeigen, dass hohe Leistungen auch in sehr kompaktem Bauraum bei besonders hohem Wirkungsgrad möglich sind. Das gelingt uns durch den Einsatz neuester Materialien, innovative Aufbaukonzepte, quasiresonante Schalttechnologien, eigens entwickelte modulintegrierte Leistungsbauelemente und das Ausnutzen parasitärer Elemente für optimale Schaltvorgänge. So erzielen wir hohe Schaltfrequenzen, geringste Schaltverluste, hohe Leistungsdichten und somit zukunftsfähige Leistungselektronik für Wasserstofftechnologien. Unsere Entwicklungen und das Angebotsspektrum erstrecken sich von einzelnen Technologieuntersuchungen bis hin zu kompletten, voll funktionsfähigen, zuverlässigen, mobilen und stationären Systemen in Prototypenkleinserien.​

Netzintegration und Systembetrieb ​

Die Entwicklung eines optimiert betriebenen und auf die lokalen Gegebenheiten angepassten, dezentralen Energiesystems, ist das erklärte Gesamtziel.

Eine besondere Herausforderung ist die Integration und Regelung von Leistungselektronik im Gesamtsystem sowie die Gewährleistung der Systemstabilität. Monitoring und Systemüberwachung, zum Beispiel durch Impedanzmessung, gewährleisten eine vorzeitige Fehlererkennung und so die Vermeidung von Ausfallzeiten. Die größtmögliche Effizienz wird folglich durch einen aufeinander abgestimmten Betrieb erzielt. Das stellen wir für Sie bei der Integration verschiedener Anlagenteilsysteme sicher. ​Dabei setzen wir am Fraunhofer IISB auf unser tiefgehendes Systemverständnis und die enge Kooperation unserer Abteilungen.​

Betriebsstrategie und Optimierung

Intelligente Betriebsstrategien stellen eine wichtige Grundlage für die Erreichung von Optimierungszielen, wie zum Beispiel einer gesteigerten Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Lebensdauer, dar.

Die Aufgabe einer Betriebsstrategie ist es, für jeden Zeitpunkt den optimalen Betriebspunkt einer Komponente oder einer Konstellation aus verschiedenen Komponenten (z. B. Brennstoffzelle, Elektrolyseur und Wasserstoffspeicher) zu ermitteln und die Aktoren entsprechend anzusteuern. Als Entscheidungsgrundlage stehen verschiedenste Eingangsgrößen und Parameter zur Verfügung. Diese relevanten Randbedingungen und Betriebsparameter müssen bei der Entwicklung von Betriebsstrategien berücksichtigt werden. Für den optimalen Einsatz der einzelnen Komponenten entwickeln wir am Fraunhofer IISB intelligente Steuer-/Regelungsalgorithmen und Betriebsstrategien. Unsere Spezialisierung liegt dabei auf der Entwicklung von Prototypen funktionsfähiger Gesamtsysteme. Dabei berücksichtigen wir die jeweiligen Komponentencharakteristika sowie das übergeordnete System. In die Betriebsstrategien fließen zudem Prognosen, welche mit Hilfe eigener Algorithmen und unserer Simulationsmodelle erstellt werden, ein.

Simulationsbasierte Systemauslegung

Simulationen erlauben die nicht-invasive Untersuchung des Einflusses von Wasserstoffkomponenten auf das zugrundeliegende Energiesystem. Mithilfe dieser Simulationen werden Parameter und Anlagendimensionen auf Basis verschiedener Kriterien optimiert.

Als Grundlage für eine simulationsbasierte Systemauslegung entwickeln wir Simulationsmodelle der beteiligten Anlagen (z. B. Brennstoffzellen, Wasserstoffspeicher und Batterie) und validieren diese auf der Basis von Messdaten aus Prototypenanlagen. Für den optimalen Betrieb der Komponenten werden intelligente Betriebsstrategien entwickelt, welche Randbedingungen und Parameter der Einzelanlagen sowie des Gesamtsystems beinhalten. Dadurch werden die Untersuchung und Quantifizierung der Auswirkungen von Parametern, Erweiterungen und Betriebsstrategien vor dem Eingriff in das reale System ermöglicht.​ Am Fraunhofer IISB wird für Systemsimulationen eine umfassende Modellbibliothek für Komponenten aus dem gesamten Energiebereich entwickelt. Die Modelle werden mittels historischer Messdaten trainiert und sind zum Teil selbstoptimierend. Zudem stehen umfangreiche Messdaten zur Verfügung, welche für die Entwicklung von Komponentenmodellen, Systemsimulationen und intelligenten Betriebsstrategien genutzt werden.

Zustandsüberwachung

Die kontinuierliche Überwachung des Systemzustands liefert der Systemsteuerung entscheidende Erkenntnisse, um einen störungsfreien und schonenden Betrieb von Wasserstoffsystemen zu gewährleisten.

Die Verbindung von Sensorik und Überwachungselektronik ermöglicht verwertbare Aussagen über den Zustand verschiedener Komponenten, beispielsweise den state-of-health (SoH) von Brennstoffzellen. Hinsichtlich der Kosteneffizienz in Systemdesign und -betrieb ist es wichtig, die Anzahl an teuren und komplexen Sensoren zu reduzieren und zugleich eine umfassende Zustandsüberwachung zu erreichen.​ Durch seine verschiedenen Demonstratoren und Prüfstände verfügt das Fraunhofer IISB über umfangreiche Expertise in der Überwachung elektrischer und verfahrenstechnischer Kenngrößen von Wasserstoffsystemen sowie der Anwendung impedanzspektroskopischer Verfahren. Zudem besteht mit der foxBMS-Plattform eine frei verfügbare und variabel konfigurierbare Elektronik für die Spannungsüberwachung von Brennstoffzellen.

KI-basierte Zustandsdiagnose

Während die Zustandsüberwachung den momentanen Zustand eines Systems erfasst, werden bei der Zustandsdiagnose die Zustandsdaten detailliert analysiert, um die Ursachen für den aktuellen Systemzustand nachzuvollziehen.

Die Zustandsdiagnose baut auf den Erkenntnissen auf, die aus der Zustandsüberwachung gewonnen werden. Die Analyse erfolgt automatisch, meist unter Verwendung von Machine-Learning-Ansätzen oder KI-unterstützt.​ Das Fraunhofer IISB legt mit seinen Arbeiten zu „Cognitive Power Electronics 4.0“, also der Verknüpfung von leistungselektronischen Systemen mit KI, die Grundlage für die Daten- und KI-basierte Zustandsdiagnose und bietet darüber hinaus das Potential zur Zustandsprognose, also der Abschätzung des Systemzustands in der Zukunft.​

Prototypenbau

Durch den Prototypenbau von Wasserstoffsystemen übertragen wir innovative Konzepte aus dem Labor in die Praxis. 

 

Für den Prototypenbau berücksichtigen wir insbesondere die jeweiligen Komponentencharakteristika sowie das übergeordnete System. Am Fraunhofer IISB bilden wir so unter anderem komplette Systeme inklusive Erzeuger, Speicher und Verbraucher ab. Zudem optimieren wir die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Systemkomponenten. Ein entscheidender Aspekt bei der Entwicklung funktionsfähiger und übertragbarer Prototypen ist eine optimierte Automatisierungstechnik, einschließlich der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik.