Zuverlässig und extrem langlebig – Hochspannungs-Leistungselektronik für den Netzausbau
Wie können Spannungsfestigkeit und Zuverlässigkeit von Leistungsmodulen für Mittel- und Hochspannungsanwendungen erhöht werden? Mit dieser Frage beschäftigten sich Wissenschaftler des Isoliersubstratherstellers Rogers Germany GmbH mit Sitz in Eschenbach und des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB in Erlangen. Im Rahmen des Forschungsprojektes APEx entwickelten die Forscher neuartige Aufbau- und Prüftechniken für Hochspannungsmodule. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über zweieinhalb Jahre mit ca. 1,3 Mio. Euro gefördert und durch das Fraunhofer IISB koordiniert.
Schon heute sind entlang der gesamten Energieerzeugungskette – vom Kraftwerk bis zum Verbraucher – leistungselektronische Systeme zu finden. Durch den von der Bundesregierung beschlossenen Ausbau der Energienetze gewinnen diese Systeme weiter an Bedeutung. Leistungselektronische Systeme sind die Schlüsselkomponenten für eine effiziente Übertragung und Verteilung elektrischer Energie und die Gewährleistung der Netzstabilität. In der industriellen Antriebstechnik oder auch in der Bahntechnik sind derzeit Leistungsmodule mit Spannungsklassen bis zu 6,5 kV etabliert. Die neuen Anwendungen in der Energietechnik stellen jedoch deutlich höhere Anforderungen an die Spannungsfestigkeit und an die Zuverlässigkeit dieser Module. Als zentrale Komponente der Leistungsmodule kann der keramische Hauptisolator, das sogenannte DCB-Isoliersubstrat (DCB: „Direct Copper Bonding“), angesehen werden. Das DCB-Substrat dient als Schaltungsträger und beherbergt die elektronischen Leistungsbauelemente. Die elektrische Kontaktierung der Bauelemente und die eigentliche Verdrahtung der Schaltung erfolgt über eine Kupferschicht auf der Substratoberfläche, die durch Ätzen strukturiert wird.
Im Projekt APEx – „Aufbau und Prüftechnik für extrem langlebige Hochspannungsmodule“ – ließ sich mit Hilfe eines optimierten Moduldesigns die Spannungsfestigkeit heute verfügbarer DCB-Isolationskeramiken steigern. Neben spezifischen Materialkennwerten ist u.a. die elektrische Feldverteilung im und um den Isolator ein wesentlicher Einflussfaktor. Insbesondere an den Randstrukturen der geätzten Kupferschicht kommt es zu Überhöhungen der elektrischen Feldstärke. Die Feldüberhöhungen erzeugen lokale Isolationsströme, so genannte Teilentladungen, im umgebenden Isolationsmaterial, was die Lebensdauer der Leistungsmodule erheblich vermindern kann. Der Betrag der Feldüberhöhungen hängt einerseits von der anliegenden Spannung, andererseits aber auch stark von der geometrischen Gestaltung der Randstruktur ab und ist damit relativ kostenneutral beeinflussbar.
Für die Optimierung der Randstrukturen mussten die an verschiedenen Designs auftretenden maximalen Feldstärken simuliert und mit Teilentladungsmessungen in Verbindung gebracht werden. Eine umfassende simulationsgestützte Voruntersuchung der Feldstärkeverteilung an den Randstrukturen der DCBs identifizierte dabei die wesentlichen geometrischen und materialspezifischen Einflussfaktoren und ermöglichte ein grundlegendes theoretisches Verständnis der Wechselwirkungen. Hierzu war auch eine Überprüfung des Simulationswerkzeuges sowie der verwendeten Modelle notwendig, insbesondere zur Umgehung sogenannter unvermeidbarer Singularitäten. Die Modellierung idealer Kanten kann in der numerischen Simulation überhöhte Werte für die auftretenden Feldstärken ergeben. Bei der hierfür eingesetzten FEM-Simulation (FEM: „Finite-Elemente-Methode“) kommt es deshalb auf die richtigen Gitterparameter und die Wahl geeigneter Messpunkte an, um grobe Verfälschungen der berechneten Feldstärkeverteilungen ausschließen zu können.
Die aus den Simulationen gewonnenen Erkenntnisse und neuentwickelten Ideen wurden durch Teilentladungsmessungen an entsprechenden Testdesigns mit angepassten Randstrukturen bestätigt. Dank der Förderung des BMBF ist es jetzt – neben der rein indirekten messtechnischen Erfassung – am Fraunhofer IISB auch möglich, mittels eines UV-Kamera-Systems den genauen Entstehungsort von Teilentladungen visuell zu erfassen.
Für die Steigerung von Zuverlässigkeit und Lebensdauer der Leistungsmodule wurden im Rahmen von APEx auch Untersuchungen zu Beschichtungssystemen durchgeführt. Das Verfüllen von Mikroanrissen und Isoliergräben mit geeigneten anorganischen und organischen Materialien erhöhte deutlich die mechanische Widerstandsfähigkeit. Beschleunigte Alterungstests an modulnahen Aufbauten in Temperaturschockschränken bewiesen die verbesserte Temperaturwechselfestigkeit bzw. Lagerfestigkeit der so beschichteten DCB-Module.
APEx wurde im Rahmen des BMBF-Förderprogramms „IKT 2020 – Forschung für Innovationen“ gefördert. Ein Ziel von IKT 2020 ist es, innovative Materialien und Bauelemente in der Elektronik für das Anwendungsfeld Energieversorgung zu erschließen.
Auf Basis der in APEx untersuchten Modifikationen für DCB-Leistungsmodule wurden bei der Rogers Germany GmbH erste Prototypen hergestellt. Sowohl die Optimierung der Randstrukturen als auch die Beschichtungstechnik können einzeln oder in Kombination zur Verbesserung der Produkteigenschaften eingesetzt werden. Die Verfahren sind auf bisher bekannte DCB-Layouts und auch auf standardisierte Leistungsmodulabmessungen anwendbar.
Die weiter voranschreitende Dezentralisierung der Energieversorgung im Mittel- und Hochspannungssektor lässt eine steigende Nachfrage nach Schaltzellen mit extremer Lebensdauer von 40 und mehr Jahren im Dauerbetrieb sowie hoher elektrischer Spannungsfestigkeit erwarten. Nicht zuletzt gewinnt dadurch die Verfügbarkeit derartiger Komponenten eine energiewirtschaftlich strategische Bedeutung.
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