Auszeichnungen auf internationalen Tagungen
Siliciumcarbid: Preisgekrönte Forschungsarbeiten des Fraunhofer IISB
Gemeinsam haben Forscher des Fraunhofer IISB Erlangen, der SiCrystal AG in Erlangen und der Kristallographie der Universität Freiburg Materialdefekte im Halbleitermaterial Siliciumcarbid untersucht. Diese Arbeiten wurden im Oktober 2009 sowohl mit dem Poster Award auf dem Nutzertreffen der Angstromquelle Karlsruhe als auch mit dem MANSiC Poster Award im Rahmen der Internationalen Siliciumcarbid-Konferenz in Nürnberg ausgezeichnet.
Siliciumcarbid (SiC) hat aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften ein hervorragendes Anwendungspotential als Halbeitermaterial für die Leistungselektronik. Dafür werden SiC-Substrate benötigt, auf denen für die Bauelementeherstellung dünne kristalline SiC-Schichten mittels Epitaxieverfahren abgeschieden werden. Die SiC-Substrate und die SiC-Schichten müssen eine hohe strukturelle Perfektion aufweisen, damit die Bauelemente zuverlässig funktionieren. Insbesondere Materialdefekte in Form von bestimmten Versetzungstypen, Abweichungen von der idealen Atomgitterstruktur, können die Leistungsfähigkeit der Bauelemente nachteilig beeinflussen. Deshalb ist es von großer Bedeutung, den Versetzungstyp sowie die Versetzungsdichte und -verteilung in Abhängigkeit von der Dotierung in den Substraten und den darauf aufgewachsenen Epitaxieschichten nachweisen zu können. Standardmäßig ist seit Jahren weltweit das Verfahren des defektselektiven Ätzens der SiC-Proben in einer 500°C heißen Kaliumhydroxid-Schmelze (KOH) etabliert. Bei dieser Methode werden auf den SiC-Scheiben um die Versetzungen herum Ätzgruben erzeugt, die dann automatisiert unter dem Mikroskop ausgezählt werden können.
In der Fachwelt herrschte bisher die Meinung vor, dass die unterschiedlichen Versetzungstypen im SiC mit diesem Verfahren eindeutig anhand der Größe und Form dieser Ätzgruben identifiziert werden können. „In der Fachliteratur ging man davon aus, dass große hexagonale Ätzgruben so genannte Schraubenversetzungen und kleine hexagonale Ätzgruben so genannte Stufenversetzungen dekorieren, die sich in Wachstumsrichtung ausbreiten. Ein dritter Versetzungstyp, die Basalebenenversetzungen, zeigt eine ovale Ätzgrubenform. Diese Annahme gilt nach unseren Untersuchungen so nicht mehr“, erläutert die SiC-Forscherin Birgit Kallinger vom Fraunhofer IISB.
In Kooperation mit der Universität Freiburg und der SiCrystal AG, einem weltweit etablierten Produzenten von SiC-Substraten, haben die SiC-Experten vom Fraunhofer IISB ein komplementäres Verfahren benutzt, um die Versetzungen im SiC direkt nachzuweisen. Dazu wird hochenergetische Röntgenstrahlung, so genannte Synchrotronstrahlung, benötigt, wie sie an großen Teilchenbeschleunigern zur Verfügung steht. „Die TOPO-TOMO-beamline der Synchrotron Angstromquelle Karlsruhe (ANKA) ist für solche Untersuchungen hervorragend geeignet“, erklärt Dr. Andreas Danilewsky, Spezialist für Röntgenuntersuchungen von der Universität Freiburg. „An ausgewählten Substraten und Epitaxieschichten haben wir entsprechende Röntgenbilder aufgenommen und die darin nachgewiesenen Versetzungstypen identifiziert. Die SiC-Proben wurden anschließend defektselektiv geätzt und die erhaltenen Ätzbilder mit den zugehörigen Röntgenaufnahmen verglichen.“
Die Forscher haben herausgefunden, dass im Falle der geätzten, hoch stickstoffdotierten Substrate keine eindeutige Unterscheidung zwischen Stufen- und Schraubenversetzungen anhand der Ätzgrubengröße möglich ist. Jedoch können die Basalebenenversetzungen eindeutig identifiziert sowie die Häufigkeit und Verteilung aller Versetzungen auf den Proben sicher bestimmt werden.
Im Falle der Epitaxieschichten, die niedriger mit Stickstoff oder mit Aluminium dotiert sind, ist es dagegen möglich, anhand der Ätzgrubengröße und -form außer den Basalflächenversetzungen auch Stufen- und Schraubenversetzungen zu unterscheiden. Zusätzlich tritt aber bei einer bestimmten Stickstoffdotierung ein bislang neuer, unbekannter Versetzungstyp auf, dessen Ätzgrubengröße sich von jener der Stufenversetzungen unterscheidet. „Wir vermuten zwar, dass es sich bei diesen unbekannten Versetzungen um einen Typ von Stufenversetzungen handelt, müssen aber erst noch den eindeutigen Nachweis erbringen“, so Birgit Kallinger, „Die Konsequenz aus unseren Untersuchungen ist, dass erstens mit vielen in der Literatur veröffentlichten Ergebnissen vorsichtig umgegangen werden muss, zweitens zwar das KOH-Ätzen als einfache, billige und schnelle Methode in der industriellen Produktion geeignet ist, um die Anzahl und Verteilung aller Versetzungen zu bestimmen sowie die Basalebenenversetzungen eindeutig zu identifizieren, drittens aber ein neues, einfaches und schnelles Ätzverfahren entwickelt werden muss, um auch eindeutig Stufen- und Schraubenversetzungen für hohe Dotierungen unterscheiden zu können.“
Birgit Kallinger vom Fraunhofer IISB stellte stellvertretend für das gesamte Forscherteam aus Wissenschaft und Wirtschaft die Ergebnisse als Posterbeitrag im Oktober 2009 sowohl beim jährlichen Treffen der Nutzer der Synchrotronquelle ANKA in Karlsruhe als auch auf der International Conference on Silicon Carbide and Related Materials (ICSCRM2009) der Fachwelt vor. Letztere gilt als weltweit größte und renommierteste Konferenz zum Thema Siliciumcarbid, in Nürnberg fanden sich dieses Jahr rund 500 internationale Experten ein. Für ihre Posterbeiträge wurden Frau Kallinger und ihr Team sowohl mit dem Best Poster Award des ANKA-Nutzertreffens als auch mit dem MANSIC Poster Award der ICSCRM2009 ausgezeichnet.
Die vorgestellten Arbeiten und Ergebnisse wurden gemeinsam vom Fraunhofer IISB und der SiCrystal AG im Rahmen des von der Bayerischen Forschungsstiftung geförderten Projekts KoSiC durchgeführt. Die Messzeit für die Durchführung der Experimente am Synchrotron, die unter der wissenschaftlichen Betreuung von Dr. Danilewsky stattfanden, wurde vom ANKA zur Verfügung gestellt.
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